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40 Jahre Kreishaus in der Königsberger Straße in Lüchow: „Nichts wurde dem Zufall überlassen“ (29.04.2022)
Landkreis Lüchow-Dannenberg (PM 105/2022)

Ein „Verwaltungspalast“ sei in der Königsberger Straße entstanden, spottete die Lokalzeitung und witzelte zum 1. April 1982, dort werde in Kürze ein Singspiel aufgeführt mit dem Titel „Die Gigantomanie der Zwerge“. Am 2. Mai 2022 jährt sich die Fertigstellung des Lüchower Kreishauses zum 40. Mal.

Das Kreishaus Lüchow kurze Zeit nach der Fertigstellung am 2. Mai 1982. Foto: Werner Voß / Kreisarchiv Lüchow-DannenbergWer alte Aufnahmen des Kreishauses mit dem Ist-Zustand vergleicht, wird abgesehen von den höher gewachsenen Bäumen und der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach kaum Veränderungen am Gebäude entdecken können. Und wenn es nach Manfred Schrodt geht, seit 2009 Vorstand des Gebäudemanagements Uelzen/Lüchow-Dannenberg, wird das auch so bleiben.

Der auffällige Bau entstand innerhalb von nicht einmal zwei Jahren auf der ehemaligen Brüngerschen Wiese. Kostenpunkt: rund 25 Millionen D-Mark. Das Gebäude hatte von Beginn an seine Kritiker – und seine Fans. Die Vorwürfe der Kritiker: gebaut mit schmutzigem Gorleben-Geld, für die Provinz-Kleinstadt Lüchow geradezu lächerlich überdimensioniert und energetisch ein Trauerspiel.

Manfred Schrodt zählt dagegen zu den erklärten Fans:  „Das Haus ist überaus sorgfältig geplant, nichts wurde dem Zufall überlassen – und alles ist von sehr hoher Qualität.“ Als innovativ galt damals insbesondere der offene Foyerbereich mit der aufwändigen Überkopfverglasung. Wie geometrisch komplex viele Details sind, mache beispielsweise der große Sitzungssaal deutlich mit seiner schrägen Stahlverglasung mit einzeln geschweißten T-Trägern. Bis heute steht im Keller des Kreishauses ein Modell des Raums. Selbst an die Innenausstattung war zu diesem Zeitpunkt bereits gedacht – mitsamt der schweren hölzernen „Tafelrunde“ und den zwei prägnanten Leuchtern, die bis heute hängen.

Ein harter Kontrast dazu das frühere Kreishaus in der Langen Straße, wo heute die Woolworth-Filiale steht: August Quis, der langjährige Kreisbaurat, bezeichnete es in seinen Erinnerungen „Hinterwalden“ als „Gebäu“ – und das war nicht nett gemeint. Für Friedrich Schubring, bis 2010 unter anderem als Regionalplaner für den Kreis tätig, war es nur „der Kasten“. Ulrike Martin, die bis letzten Sommer 40 Jahre lang im Bauamt tätig war, erinnert sich vor allem an die dunklen Flure des Sozialamts, das ganze Haus sanierungsbedürftig und teilweise nicht mehr nutzbar, die Kollegen mussten eng zusammenrücken, es fehlte an Platz. Ganz anders der Neubau: „Das neue Kreishaus war hell und modern. Es gab zahlreiche Einzelbüros, das war neu!“ Und es gab erstmals Teeküchen: „Vorher hatten viele ihre Tauchsieder und andere Küchenutensilien auf der Fensterbank stehen.“ Friedrich Schubring erinnert sich gut, dass zum Einzug im Mai 82 bereits alles perfekt eingerichtet war: von der Pflasterung zu den Eingängen bis zu den Hinweisschildern im Haus selbst. Nur an der Beschattung der Büros fehlte es noch. Und das blieb auch erst mal so. Jahrelang, wie er sagt. Ulrike Martin erinnert sich: „Wir haben die Umzugskisten selbst gepackt und geschleppt. Alle mussten mit ran. Einige Monate nach dem Einzug gab es dann eine große Einweihungsparty für alle.“ Überhaupt, die Feiern. Die müssen in diesen ersten Jahren legendär gewesen sein.

Ähnlichkeiten beabsichtigt: Wer in der Kirchstraße Richtung Glockenturm blickt oder in der Dr. Lindemann-Straße Richtung Kreishaus, sieht jeweils ein Gebäude, das im 45-Grad-Winkel zur Straße ausgerichtet ist. Fotos: Jenny Raeder

Wie intensiv sich die Architekten mit dem neuen Standort befasst haben, erkennt, wer sich die Türme im Stadtgebiet ansieht: Amtsturm und Glockenturm liegen jeweils am Ende der Sichtachsen der Kirch- beziehungsweise der Burgstraße. Ganz ähnlich der Blick von der Dr. Lindemann-Straße zum Kreishaus. Mehr noch: Wie der Glockenturm ist auch die verglaste Ecke des Kreishauses, auf die als erstes der Blick fällt, in einem 45-Grad-Winkel zur Straße ausgerichtet.

Im Maßstab 1 zu 20 zeigt ein Modell der Architekten den bis heute bestehenden großen Sitzungsraum des Kreishauses – inklusive der Innenausstattung. Der schwere Tisch, der einen Großteil des Raumes einnimmt, und die zwei markanten Leuchter verleihen dem Raum bis heute seinen eigenen Charakter. Fotos: Jenny Raeder

1982 mit dem renommierten BDA-Preis des Landes Niedersachsen ausgezeichnet, gilt das Kreishaus als „anerkanntes Werk der Baukunst“, erklärt Manfred Schrodt. Es unterliegt damit besonderem urheberrechtlichem Schutz. Änderungen am Erscheinungsbild sind bis 70 Jahre nach dem Tod der Urheber nur mit deren Einverständnis möglich. Und überhaupt: „Man kann ein gelungenes Gebäude auch kaputt sanieren“, sagt Schrodt.  

„Für viele, die im Kreishaus arbeiten, und auch für viele Menschen, die in Lüchow-Dannenberg zuhause sind, hat das Gebäude einen hohen Identifikationswert“, sagt Landrätin Dagmar Schulz. Naheliegend, dass auch die Gastgeschenke der Kreisverwaltung seit einigen Monaten mit einer Zeichnung der Frontansicht des Hauses verziert sind – gezeichnet von Manfred Schrodt.

Die Eckdaten:

  • 1978 – Kreistagsbeschluss zum Neubau eines Kreishauses
  • 1979 – Beauftragung der renommierten Architekten Graaf – Schweger + Partner
  • 4. September 1980 – Baubeginn in der Königsberger Straße
  • 3. Juni 1981 – Richtfest
  • 2./3. Mai 1982 – Fertigstellung und Einzug

Bauliche Veränderungen:

  • 2004 – Umbau eines Trakts zum Katastrophenschutz-Lagezentrum
  • 2006 – Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach
  • 2006 – Umbau der Rettungsleitstelle

Das renommierte Architekturbüro Graal – Schweger + Partner mit Sitz in Hamburg war international tätig und unter anderem für zahlreiche Geschäftsbauten in der Hamburger Speicherstadt verantwortlich.

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